Die Digitalisierung der Supply Chain ist heute unverzichtbar für eine effiziente, transparente und wettbewerbsfähige Logistik. Der Informationsaustausch zwischen den Partnern entlang der Lieferkette spielt nämlich eine zentrale Rolle. Während früher Informationen mündlich übermittelt und Geschäfte mit einem Handschlag besiegelt wurden, hat sich der Austausch von Daten in den letzten Jahren stark gewandelt. Heutzutage liegt der Fokus auf automatisierten, reibungslosen Prozessen, die durch Technologien wie Electronic Data Interchange (EDI), Radio Frequency Identification (RFID) und optische AutoID-Technologien (Automatische Identifikation) unterstützt werden.
(Erklärungen zu den Fachbegriffen, die in dem Interview vorkommen, finden Sie am Ende des Beitrags.)
Im Gespräch mit Marcel Ducceschi, EDI Strategist bei ecosio und Experte auf dem Gebiet der digitalen Supply Chain, beleuchten wir die wichtigsten Maßnahmen und Herausforderungen, die mit der digitalen Transformation einhergehen.
Inwiefern sehen Sie EDI als wesentlichen Bestandteil einer End-to-End-Verantwortung in der Supply Chain?
EDI ist ein wesentlicher Bestandteil für einen automatisierten, lückenlosen und medienbruchfreien Informationsaustausch über mehrere Partner entlang der Supply Chain. Aufgrund der unterschiedlichen, von den einzelnen Partnern eingesetzten IT-Lösungen ist die Nutzung einheitlicher, weltweit akzeptierter Standards (Formate und Protokolle) unerlässlich, da sie sicherstellt, dass Daten über diverse Systeme hinweg korrekt verstanden und verarbeitet werden können. Bei der Konvertierung verschiedener standardisierter Formate und Protokolle können Dienstleister (wie ecosio) eine wichtige Unterstützung bieten.
Welche wesentlichen Vorteile sehen Sie in der Digitalisierung von Supply Chain-Prozessen durch Technologien wie EDI und RFID im Vergleich zu traditionellen, papierbasierten Methoden?
Die Digitalisierung von Supply Chain-Prozessen mit Technologien wie EDI und RFID bietet drei wichtige Vorteile gegenüber traditionellen Methoden.
Erstens werden die Durchlaufzeiten deutlich verkürzt, da Informationen automatisch und in Echtzeit ausgetauscht werden, was die Synchronisation von Waren- und Informationsflüssen beschleunigt.
Zweitens verbessert die Automatisierung die Prozessqualität, da manuelle Fehler minimiert und die Datenintegrität erhöht werden, wodurch die Zuverlässigkeit der Abläufe steigt.
Drittens senkt die Digitalisierung die Prozesskosten, da weniger manuelle Eingriffe erforderlich sind und Abläufe effizienter gestaltet werden können. Das hilft, Lager- (Produkte im Bestand) und Personalkosten (Aufwendungen für Mitarbeiter) zu optimieren.
Diese Vorteile machen die Digitalisierung zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor in modernen Lieferketten.
Wie arbeiten EDI, RFID und Barcodes in der digitalen Lieferkette zusammen?
Neben EDI gibt es heute viele andere Technologien, die in der digitalen Lieferkette integriert werden. RFID und Barcodes helfen dabei, Produkte automatisch zu erfassen.
Wichtig ist, dass diese Technologien zusammen mit standardisierten Identifikationsnummern wie GTIN (Global Trade Item Number, eine eindeutige Produktnummer) verwendet werden, damit jeder versteht, worum es geht.
Der lückenlose Informationsaustausch durch EDI und EPCIS (Electronic Product Code Information Services) sowie die kontinuierliche Synchronisation zwischen den Informationen und den physischen Warenströmen durch AutoID-Technologien sind entscheidend für die Digitalisierung der Supply Chain und die Automatisierung von Prozessen. Diese Verbindung macht die Abläufe schneller und effizienter.
Wie wichtig ist die Synchronisation von Informationsflüssen (z.B. durch EDI) mit physischen Materialflüssen?
Nur durch eine kontinuierliche Synchronisation zwischen Informationsflüssen und physischen Warenflüssen kann der volle Nutzen aus der Digitalisierung der Supply Chain generiert werden. Informationen, selbst wenn sie elektronisch ausgetauscht werden, können zu Fehlern und Mehrkosten führen, wenn sie zu früh oder zu spät im Verhältnis zu den Waren empfangen und ohne Synchronisation mit den Warenbewegungen verbucht werden.
Welche Rolle spielen Technologien wie RFID und Barcodes bei der Verbesserung dieser Synchronisation? In welchen Bereichen sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?
AutoID-Technologien wie Barcodes und RFID sind entscheidend für die automatisierte Identifikation von logistischen Objekten und die Verfolgung von Warenbewegungen. Ohne diese Technologien ist es schwierig, Waren- und Informationsflüsse kontinuierlich zu synchronisieren, da dies viel manuellen Aufwand und Zeit erfordert.
Ich sehe großes Optimierungspotenzial in der Automatisierung der Erfassungsprozesse mit AutoID-Technologien. Besonders wichtig ist die richtige Positionierung von optischen Datenträgern und die Nutzung von RFID, um mehrere Objekte gleichzeitig zu erfassen (Bulk-Erfassung). Moderne, robuste 2D-Codes zusammen mit leistungsstarken Kameras oder Scannern bieten hier interessante Fortschritte.
Außerdem können neue Erfassungsgeräte, die auf Augmented Reality-Technologie (z.B. Microsoft HoloLens) basieren, manuelle Prozesse wie die Kommissionierung erheblich verbessern, indem sie AutoID-Technologie und digitale Informationen effektiv kombinieren.
Wie verändern neue Technologien wie Internet of Things (IoT) Künstliche Intelligenz, (KI) und Blockchain die digitale Supply Chain im Retail? Glauben Sie, dass es einen Wandel von EDI hin zu anderen Lösungen geben wird?
Nach 30 Jahren Erfahrung mit EDI sehe ich zwar nützliche Ergänzungen wie EPCIS, aber keine echten Alternativen zum elektronischen Austausch von Informationen in der Supply Chain. API-Lösungen können gelegentlich hilfreich sein, sind jedoch (noch) nicht zuverlässig oder einfach genug, um EDI zu ersetzen.
Ich bin überzeugt, dass sowohl IoT als auch die Künstliche Intelligenz die Digitalisierung der Supply Chain erheblich unterstützen können. Im Gegensatz zu anderen Bereichen (wie FinTech) sehe ich jedoch keinen echten Mehrwert durch Blockchain-Technologie für den Austausch logistischer Informationen in der Supply Chain. In vielen Fällen denke ich, dass wir mit Blockchain eine Lösung haben, aber noch das passende Problem dafür suchen.
Wie kann ein End-to-End-EDI-System zukünftige Herausforderungen in der Supply Chain bewältigen?
Ich bin überzeugt, dass End-to-End-Informationsflüsse, die durch den Einsatz von EDI und EPCIS ermöglicht werden und mit den physischen Warenbewegungen synchronisiert sind, entscheidend dafür sind, die Prozesse in der Lieferkette schneller, sicherer, kostengünstiger und widerstandsfähiger zu gestalten. Neue Technologien wie IoT und KI, zusammen mit etablierten Technologien wie RFID und 2D-Codes, werden dabei eine wichtige Rolle spielen. Die Effektivität dieser Technologien hängt jedoch stark von ihrer Integration in moderne Softwarelösungen (wie ERP- und WMS-Systeme) sowie der Automatisierung von Verteilzentren ab. Ein vollautomatisiertes Verteilzentrum, das beispielsweise auf SAP EWM basiert (eine SAP-Softwarelösung zur Optimierung des Warehouse Managements), kann keinen echten Mehrwert bieten, wenn die zugrunde liegenden Daten ungenau sind oder die Identifikation der bearbeiteten Artikel unzureichend erfolgt. Darüber hinaus kann die lückenlose Erfassung und Dokumentation der Warenflüsse entlang der gesamten Supply Chain – vom Produzenten über die verschiedenen Logistik- und Verarbeitungsstufen bis zum Konsumenten – mithilfe von EDI und EPCIS die notwendigen (Daten-)Grundlagen schaffen, um den neuen Anforderungen der EU ESG-Verordnungen zur Nachhaltigkeit gerecht zu werden.
Welche Trends oder Technologien werden Ihrer Meinung nach die Entwicklung von EDI im Einzelhandel am meisten beeinflussen?
Ich denke, dass die Digitalisierung der Lieferkette die Effizienz, Qualität und Kosteneffektivität verbessert. Technologien wie EDI, RFID und AutoID sind entscheidend für den Informationsaustausch und die Synchronisation der Flüsse. Während EDI zentral bleibt, werden ergänzende Technologien wie APIs und Blockchain seine Fähigkeiten erweitern. Ihre Integration ist entscheidend für die Entwicklung eines agilen und widerstandsfähigen Logistiksystems der Zukunft.
Wir danken Marcel Ducceschi für das Interview!
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Fachbegriffe in diesem Interview
Anbei finden Sie einen Überblick der im Interview verwendeten Fachausdrücke. Viele weitere können Sie auch in unserem EDI-Glossar nachlesen.
EDI (Electronic Data Interchange / Elektronischer Datenaustausch):
EDI ist ein standardisiertes System für den elektronischen Austausch von Geschäftsdokumenten wie Bestellungen, Lieferscheine (oder Lieferavise) und Rechnungen zwischen Unternehmen. Durch den Wegfall manueller Eingaben reduziert EDI Fehler und beschleunigt die Bearbeitung, wodurch Transaktionen zwischen Partnern der Lieferkette reibungsloser und schneller ablaufen.
RFID (Radio Frequency Identification / Identifikation per Funk):
RFID nutzt Funkwellen zur automatischen Identifikation und Verfolgung von Waren, wodurch eine Echtzeit-Überwachung von Warenbewegungen möglich wird. Im Gegensatz zu optischen AutoID-Technologien, die Sichtkontakt erfordern, ermöglicht RFID die Identifikation von Objekten ohne direkten Kontakt. So kann beispielsweise eine Palette mit Dutzenden von Artikeln innerhalb von Sekunden erfasst und in das System eingebucht werden. Diese Technologie verbessert das Bestandsmanagement, da sie eine schnelle und präzise Lokalisierung und Aktualisierung des Warenbestands ermöglicht. Dadurch wird die Transparenz und Effizienz in der Lieferkette erheblich gesteigert.
AutoID (Automatische Identifikation):
AutoID umfasst Technologien wie RFID (Radio Frequency Identification) und optische AutoID-Technologien, wie 1D- und 2D-Symbologie, beispielsweise Barcodes und 2-dimensionale Codes, die eine automatische Identifikation und Datenerfassung von Artikeln ermöglichen. Diese Technologie bietet eine schnelle und zuverlässige Produktidentifikation, was den kontinuierlichen Fluss synchronisierter Informationen und Waren sicherstellt und so eine nahtlose Verwaltung von Beständen und Logistikprozessen unterstützt.
GTIN (Global Trade Item Number / Globale Artikelnummer):
Die GTIN ist eine weltweit eindeutige Produktnummer, die jedes Produkt identifiziert und den internationalen Handel vereinfacht. GTINs werden z. B. in Form von Barcodes auf Verpackungen aufgebracht und erleichtern die automatische Erkennung und Verwaltung von Artikeln entlang der gesamten Lieferkette. Sie ermöglichen eine fehlerfreie, schnelle Identifikation von Produkten und tragen so zur Effizienz und Nachverfolgbarkeit in der Logistik bei.
EPCIS (Electronic Product Code Information Services):
EPCIS ist ein Standard, der den Austausch von Daten über die Bewegung und den Status von Produkten in der Lieferkette ermöglicht. Es bietet einen Rahmen zum Erfassen und Teilen von Informationen über die physische Bewegung von Waren und ermöglicht so eine bessere Sichtbarkeit und Rückverfolgbarkeit von Produkten. EPCIS hilft Organisationen, Daten aus RFID und anderen Identifikationstechnologien zu nutzen, um die Abläufe zu verbessern und das Management der Lieferkette zu optimieren.
SAP EWM (Extended Warehouse Management)
SAP EWM ist eine Softwarelösung, die die Lagerverwaltung optimiert, indem sie Werkzeuge für die effiziente Verwaltung von Beständen, die Verfolgung von Warenbewegungen und die Integration in die Prozesse der Lieferkette bereitstellt, was zu einer verbesserten Effizienz und Transparenz in den Logistikoperationen führt.