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VIDA: Was ist es und wie wirkt es sich auf Ihr Geschäft aus?

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In der sich stets wandelnden digitalen Welt von heute ist die Bedeutung einer optimierten Steuergesetzgebung so groß wie nie zuvor. Genau hier kommt ViDA ins Spiel – kurz für „VAT in the Digital Age“ (Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter) – eine Initiative, die verspricht, die Art und Weise zu verändern, wie Unternehmen die Mehrwertsteuer (VAT) und andere damit verbundene Transaktionen handhaben. ViDA wurde entwickelt, um Steuerprozesse zu vereinfachen, zu standardisieren und letztlich zu sichern. Darüber hinaus soll ViDA die Rahmenbedingungen für die Einhaltung von Steuervorschriften und die Abwicklung von Rechnungen revolutionieren. 

Dieser Artikel befasst sich mit der Frage, was ViDA genau ist, warum es eingeführt wurde, welche Transaktionen davon betroffen sind, wie der Zeitplan für die Einführung aussieht und wie sich IT-Manager und Führungskräfte im Supply-Chain-Umfeld darauf vorbereiten sollten.

Was ist ViDA?

ViDA ist eine Initiative der Europäischen Kommission (veröffentlicht im Dezember 2022), die sich auf die Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung von Mehrwertsteuer-Pflichten von Unternehmen spezialisiert hat. Die Initiative will standardisierte Protokolle einführen und den Einsatz neuester digitaler Technologien fördern, um die Prozesse zur Einhaltung der Steuervorschriften zu straffen, Fehler zu reduzieren, Transparenz zu erhöhen und das Mehrwertsteuersystem für Unternehmen insgesamt effizienter zu gestalten.

Weshalb wurde die ViDA-Initiative ins Leben gerufen?

Obwohl es viele Gründe für die Initiative gibt, sind die beiden wichtigsten Beweggründe die Reduzierung von Verlusten durch Mehrwertsteuerbetrug und die Verbesserung der Effizienz von Mehrwertsteuer-Prozessen.

Reduzierung von Verlusten

Derzeit sind die Verfahren zur Abgabe von Mehrwertsteuererklärungen in der gesamten EU anfällig für Manipulationen, da Berichte über Transaktionen in der Regel erst Monate nach ihrer Einreichung geprüft werden. Dem VAT Gap Report 2023 zufolge entgingen den EU-Mitgliedstaaten allein im Jahr 2020 unglaubliche 99 Milliarden Euro an Mehrwertsteuereinnahmen! Etwa ein Viertel dieses Betrags dürfte auf Mehrwertsteuerbetrug im EU-internen Handel zurückzuführen sein.

Die EU-Kommission hat errechnet, dass der Übergang zur universellen E-Invoicing-Lösung den Mehrwertsteuerbetrug jährlich “um bis zu 11 Milliarden Euro” reduzieren und gleichzeitig die Erfüllungskosten für EU-Unternehmen “in den nächsten zehn Jahren um über 4,1 Milliarden Euro pro Jahr” senken könnte.

Verbesserung der Effizienz

Für Unternehmen, die internationale Geschäfte tätigen, kann die Handhabung der Mehrwertsteuer über das derzeitige System umständlich und sogar frustrierend sein. Mit der Einführung eines neuen vereinfachten Systems für die Mehrwertsteuer-Registrierung, der Möglichkeit der digitalen Echtzeit-Meldung und der Verpflichtung zur Ausstellung elektronischer Rechnungen hofft die Europäische Kommission, Steuerverfahren deutlich zu beschleunigen und die Dinge für alle Beteiligten leichter zu machen.

Wer ist von ViDA betroffen? Welche Unternehmen und Prozesse?

Von ViDA betroffene Unternehmen

ViDA wird alle Unternehmen treffen, die mit Kunden in der EU Geschäfte machen, einschließlich Online-Marktplätzen und Vermittlern, die Transaktionen zwischen anderen Unternehmen durchführen.

Am stärksten betroffen sind Unternehmen, die derzeit noch nicht in der Lage sind, elektronische Rechnungen zu versenden und zu empfangen, und die daher ihre Systeme schnell anpassen müssen, um die kommenden Vorschriften zu erfüllen.

Von ViDA betroffene Prozesse

Wenn es um die Veränderungen geht, die mit ViDA in Gang gesetzt werden sollen, beziehen sich die meisten auf die so genannten „drei Säulen von ViDA“. Dabei handelt es sich um die einheitliche Mehrwertsteuer-Registrierung, die elektronische Rechnungsstellung und die digitale Berichterstattung sowie um die schwer zu definierende „Plattform-Ökonomie“. Wenn man jedoch die Prozesse an sich betrachtet, ist es sinnvoller, in den Kategorien Rechnungsstellung, Berichterstattung, Rechnungsprüfung sowie Mehrwertsteuer-Registrierung zu denken.

Rechnungsstellung 

ViDA strebt an, die Einführung der E-Rechnung in allen EU-Mitgliedstaaten zu beschleunigen, so dass sie bis 2028 weit verbreitet ist. Diese Beschleunigung wird durch die Einführung von E-Invoicing-Mandaten durch die Regierungen der beteiligten Länder vorangetrieben.

Berichterstattung

Außer der verstärkten Nutzung und dem größeren Umfang der elektronischen Rechnungsstellung sieht der ViDA-Entwurf auch die Einführung digitaler Meldepflichten (Digital Reporting Requirements – DRR) in allen Mitgliedstaaten ab dem 1. Januar 2028 vor. Diese DRR würden die Notwendigkeit zusammenfassender Meldungen beseitigen und die Unternehmen dazu verpflichten, stattdessen die relevanten Transaktionen an eine zentrale VIES-Datenbank (VAT Information Exchange System) zu melden.

Rechnungsprüfung

Sollte ViDA wie geplant umgesetzt werden, erhielten die Steuerbehörden einen besseren Zugang zu Echtzeit-Transaktionsdaten, was wiederum effizientere und genauere Prüfungen zulassen würde.

Mehrwertsteuer-Registrierung

In den ViDA-Vorschlägen wird die Absicht geäußert, ein einheitliches MwSt-Registrierungssystem einzuführen. Dies würde es Unternehmen, die länderübergreifende Geschäfte in der EU tätigen, gestatten, alle MwSt-Anforderungen über ein einziges Portal in einer einzigen Sprache zu erfüllen. Dieses zentrale MwSt-Registrierungssystem wird als “einheitliche Anlaufstelle für den Import” (import one-stop-shop – IOSS) bezeichnet.

Wie sieht der Zeitplan aus?

Die Umsetzung von ViDA wird in Phasen erfolgen, wobei die verschiedenen Regionen und Länder die Vorschriften unterschiedlich schnell einführen. Voraussichtlich wird die Umsetzung in allen Ländern nach dem gleichen Schema ablaufen. Zunächst gibt es ein Pilotprogramm, gefolgt von einer schrittweisen Einführung und je nach Unternehmensgröße oder Transaktionsvolumen gestaffelte Einhaltungsfristen. 

Was die konkreten Termine betrifft, die in dem Vorschlag genannt werden, sah der ursprünglich geplante Zeitplan wie folgt aus:

1. Januar 2025

Ab Januar 2025 wird der Anwendungsbereich des EU-Systems der einheitlichen Anlaufstelle für den Import (IOSS) für die Mehrwertsteuer auf verschiedene B2C-Lieferungen von Waren ausgeweitet. Das neue System wird auch den internationalen Warenverkehr abdecken. Die Anwendung der IOSS-Regelung wird für bestimmte Umsätze verpflichtend sein.

1. Januar 2028

Ab dem 1. Januar 2028 müssen Unternehmen alle B2B-Transaktionen in der Europäischen Union innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Rechnungsdatum melden (eine deutliche Verkürzung gegenüber den derzeit 45 Tagen).

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die elektronische Rechnungsstellung gemäß EN 16931 auch für die innergemeinschaftliche Lieferung (intra-community supply of goods) verbindlich sein. Außerdem werden einige Datenüberprüfungen vor dem Rechnungsabschluss eingeführt.

Eine detaillierte Übersicht über die von ViDA vorgesehenen Fristen finden Sie im Abschlussbericht der EU-Kommission (Vier Bände).

Mögliche Verschiebung

Am 16. Juni 2023 stimmte der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des EU-Parlaments (EU Parliament Committee on Economic and Monetary Affairs – ECON) über einen Bericht ab, in dem ein einjähriger Aufschub für alle drei Säulen von ViDA (einheitliche Mehrwertsteuer-Registrierung, elektronische Rechnungsstellung und digitale Berichterstattung sowie Plattformwirtschaft) vorgeschlagen wurde. Im Anschluss an eine diese abgehaltene Sitzung wurde daraufhin bestätigt, dass die Unterzeichnung der vorgeschlagenen Reformen nicht vor 2024 erfolgen wird.

In Folge dessen dürfte sich die für Januar 2028 vorgeschlagene Frist für die EU-weite Einführung der elektronischen Rechnungsstellung und der digitalen Berichterstattung auf mindestens 2030 verschieben (Wobei einige davon ausgehen, dass die Frist sogar auf 2032 verschoben werden könnte). Der Aufschub wirft auch Zweifel an den vorgeschlagenen Fristen für die Mehrwertsteuer-Registrierung auf.

Wie wird sich ViDA auswirken?

Viele Unternehmen werden aufgrund von ViDA neue Prozesse und Software einführen müssen, um die neuen Anforderungen zu erfüllen. Zwar mag dies anfangs kostspielig sein, aber es bietet zugleich auch die Chance, etwas Abstand zu gewinnen, die eigene B2B-Strategie zu überdenken und so letztlich eine stabilere E-Invoicing-Lösung aufzubauen.

Von den Komplikationen bei der Implementierung einmal abgesehen, dürften sich ViDA für Unternehmen, Behörden und die breite Öffentlichkeit durchweg positiv auswirken.

Für Unternehmen werden vereinfachte Prozesse und eine Reduzierung des manuellen Arbeitsaufwands zu einer höheren Arbeitseffizienz führen. Außerdem wird die Digitalisierung der MwSt-Verfahren die Genauigkeit erhöhen, da Fehler und Unstimmigkeiten auf ein Minimum begrenzt werden. Im Laufe der Zeit dürften ein geringerer Verwaltungsaufwand und weniger Fehler bei der Einhaltung der Vorschriften zu beträchtlichen Kosteneinsparungen führen.

Für Behörden werden die Vorteile ähnlich sein. Durch den Echtzeit-Zugriff auf Transaktionsdaten werden die Steuerbehörden von effizienteren und transparenteren Systemen profitieren. Sie dürften zudem in der Lage sein, den Mehrwertsteuerbetrug drastisch zu reduzieren.

Für die Öffentlichkeit bedeutet der Anstieg der Mehrwertsteuereinnahmen, dass Regierungen mehr Geld für öffentliche Projekte ausgeben können. So hätte allein mit den von den EU-Ländern im Jahr 2020 nicht erhobenen Mehrwertsteuereinnahmen eine 1700 km lange Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnstrecke von Berlin nach Bukarest finanziert werden können!

Solche Spekulationen sind an dieser Stelle jedoch überflüssig. Die Europäische Kommission hat bereits untersucht, wie sich die verstärkte Automatisierung von Prozessen auf die Mehrwertsteuereinnahmen in Europa niederschlagen wird. Dem neuesten Bericht zufolge hat sich die gesamte Mehrwertsteuerlücke in nur einem Jahr zwischen 2020 und 2021 um rund 38 Mrd. EUR verringert, was vor allem auf die Zunahme automatisierter Rechnungsstellung-Prozesse zurückzuführen ist!

So bereiten Sie sich auf ViDA vor

Kein Unternehmen befindet sich in der gleichen Situation, daher gibt es bei der Vorbereitung auf ViDA keine pauschale Lösung. Es gibt allerdings mehrere Dinge, die Sie tun können, um besser gewappnet zu sein:

Informiert bleiben: Halten Sie sich über die Entwicklungen bei der Einführung von ViDA auf dem Laufenden, damit Sie Zeit haben, Ihre Strategie zu planen. So vermeiden Sie das Risiko, Ihr System vor einem bevorstehenden Termin überhastet aktualisieren zu müssen. Auf dem neuesten Stand bleiben Sie beispielsweise mit unserem E-Invoicing Newsletter, für den Sie sich einfach hier anmelden können.

Bewerten Sie vorhandene Systeme und Ressourcen: Setzen Sie sich mit Ihren bestehenden Systemen, Prozessen und internen Ressourcen auseinander. Stellen Sie fest, was erforderlich ist, um die digitalen Anforderungen von ViDA zu erfüllen. Finden Sie außerdem heraus, wo mögliche Schwachstellen liegen könnten, bevor Sie sich für eine Lösung entscheiden.

Betrachten Sie alle Optionen: Selbst wenn Sie den gesamten B2B-Nachrichtenverkehr bisher intern abgewickelt haben, bedeutet das nicht, dass Sie das auch in Zukunft so tun müssen. Viele Unternehmen sehen die einfachste und kostengünstigste Möglichkeit, die ViDA-Anforderungen zu erfüllen, darin, die Hilfe eines externen Lösungsanbieters in Anspruch zu nehmen.

Wir bei ecosio zum Beispiel übernehmen für unsere Kunden alle Aufgaben im E-Invoicing, so dass Sie sich voll und ganz auf Ihre Kernkompetenzen konzentrieren können.

Fazit

ViDA stellt einen grundlegenden Wandel bei der Einhaltung der Mehrwertsteuer- und Steuervorschriften dar und verspricht, die Prozesse zu optimieren, Fehler zu reduzieren und Transparenz zu erhöhen. Damit Unternehmen diese Vorteile nutzen können, ist es jedoch entscheidend, dass sie sich entsprechend vorbereiten. Wenn Sie sicherstellen, dass Ihre Systeme und Prozesse mit den digitalen Anforderungen von ViDA übereinstimmen, noch bevor die gesetzlichen Vorschriften überhaupt eingeführt werden, können Sie die Einhaltung der Vorschriften ohne Stress realisieren und gleichzeitig die Vorteile der automatisierten Prozesse langfristig nutzen.

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