Bei Logistikprozessen im Handel liest man oft von der Unterscheidung zwischen Streckenbelieferung und Lagerbelieferung mit Cross-Docking-Verfahren. Wir stellen im heutigen Beitrag die wichtigsten Unterschiede vor.
Logistik im Handel
Der Handel hat in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine sehr starke Konsolidierung erfahren. Waren früher kleine Einzelhandelsunternehmen ein gängiges Bild in den Städten und Gemeinden, so sind es heute die Filialen der großen Einzelhandelsunternehmen, die das Stadtbild prägen. Das folgende Foto zeigt einen Einzelhändler Ende der 1950iger Jahre in Bochum. Läden wie diese — auch Tante-Emma-Laden genannt — sind heute nur mehr sehr selten zu finden.
Heute herrscht eine starke Konzentration auf einige wenige große Einzelhandelsunternehmen, die durch ihre Größe die Logistikprozesse entsprechend vorgeben können. Im Bereich der Logistik spricht man in diesem Zusammenhang auch von einem Wandel der Distributionslogistik der Hersteller hin zur Beschaffungslogistik der Einzelhandelsunternehmen. Die hohe Wettbewerbsintensität im Handel macht niedrige Logistikkosten zu einem wesentlichen Wettbewerbsfaktor, weshalb die Einzelhandelsunternehmen auf ausgeklügelte und automatisierte Beschaffungskonzepte setzen.
Eine exemplarische Beziehung zwischen Vorlieferanten und einem Einzelhandelsunternehmen ist in der folgenden Abbildung dargestellt. Vorlieferanten können produzierende Unternehmen sein, die selbst Waren herstellen, oder Handelsunternehmen, die nur Ware kaufen und verkaufen.
Je nach Größe des Einzelhandelsunternehmen werden verschiedene Zentral- und Regionallager betrieben. Bevor die Waren an die einzelnen Filialen des Einzelhandelsunternehmens geliefert werden, können je nach Produktart Transitlager zwischengeschaltet werden, in welchen Cross-Docking betrieben wird.
Lagerbelieferung vs. Streckenbelieferung
Produzierende Unternehmen und Handelsunternehmen können also entweder an Lagerstandorte des Einzelhandelsunternehmens liefern oder es werden die Einzelhandelsfilialen direkt beliefert. Im ersten Fall spricht man von Lagerbelieferung. Optional kann bei Lagerbelieferung auch auch Cross-Docking zur Anwendung kommen. Der zweite Fall wird auch Streckenbelieferung genannt (da die einzelnen Filialen entlang einer Strecke abgefahren werden). Die Differenzierung zwischen diesen beiden Logistikprozessen hat auch Auswirkungen auf den Einsatz von elektronischem Datenaustausch (EDI). Je nachdem ob Lagerbelieferung oder Streckenbelieferung betrieben wird, machen die Einzelhandelsunternehmen unterschiedliche technische Vorgaben an die Vorlieferanten.
Cross-Docking-Verfahren
Cross-Docking ist ein Begriff aus der amerikanischen Logistikliteratur und bezeichnet einen Prozess, bei welchem LKWs an einer Seite des Lagerhauses andocken und die sortenreinen Lieferungen abladen. Die Waren werden anschließend filialbezogen kommissioniert, konsolidiert und auf LKWs umgeladen, die auf der anderen Seite des Lagerhauses andocken. Diese LKWs fahren dann die filialbezogenen Lieferungen zu den einzelnen Filialen. Die folgende Abbildung visualisiert das dabei zur Anwendung kommende Prinzip.
Durch den Einsatz von Cross-Docking werden LTL-Anlieferungen (LTL = less-than-truckload) zu den Filialen unterbunden. Sortenreine und vollständig beladene TL-Anlieferungen (TL = truckload) kommen beim Cross-Docking-Lager an und werden gemeinsam mit den Waren aus anderen Anlieferungen in TL-Anlieferungen für die einzelnen Filialen umkommissioniert. Damit ersparen sich die Hersteller das einzelne Anfahren von Filialen. Umgekehrt erhalten die Filialen nicht viele verschiedene Lieferungen pro Tag, sondern einige wenige Lieferungen, in denen alle notwendigen Waren enthalten sind.
Streckenbelieferung
Im Falle von Streckenbelieferung erfolgt vom Handelsunternehmen eine filialbezogene Bestellung. Die Waren werden von den Vorlieferanten direkt an die Filialen geliefert, wo auch die Einlagerung erfolgt. Die folgende Abbildung zeigt das dabei zur Anwendung kommende Prinzip.
Im Unterschied zur Belieferung von großen Lagerstandorten, kommen bei der Belieferung von Filialen oft kleinere LKWs zum Einsatz – z.B. Lastkraftwagen bis zu 10,50 m Länge. Diese LKWs sind auch oft mit Hebebühnen ausgestattet, was das Abladen bei der Filiale erleichtert.
Lagerbelieferung / Cross-Docking-Verfahren
Bei der Lagerbelieferung erfolgt eine lagerbezogene Bestellung. Die Waren werden von den Vorlieferanten an das Lager geliefert, wo ein Bestand aufgebaut wird. Vom Cross-Docking-Lager aus erfolgt anschließend die Weiterverteilung der Waren an die einzelnen Filialen. Die folgende Abbildung zeigt das dabei zur Anwendung kommende Prinzip.
Die Anlieferung der Waren an das Lager oder Cross-Docking-Lager erfolgt üblicherweise mit großen Sattelzügen bis 16,50 m Länge. Die folgende Abbildung zeigt drei angedockte Sattelzüge.
Beim Umschlag der Waren kommen dann ähnlich wie bei der Streckenbelieferung wieder kleinere LKWs zum Einsatz. Die folgende Abbildung zeigt einen LKW bei der Belieferung einer Lebensmitteleinzelhandelsfiliale mit verschiedenen Waren. Wie man gut erkennen kann, sind Waren verschiedenen Typs geladen (Saftflaschen, Obst, etc), die vorher im Cross-Docking-Lager filialbezogen in den LKW geladen wurden.
Im Unterschied zu einem Zentrallager oder einem Regionallager wird in einem Cross-Docking-Lager kein Bestand aufgebaut. In weiterer Folge kann bei Cross-Docking noch zwischen einem einstufigen Cross-Docking und einem zweistufigen Cross-Docking unterschieden werden.
Einstufiges Cross-Docking
Beim einstufigen Cross-Docking erfolgt eine filialbezogene Bestellung. Sowohl der Auftrag, als auch die Kommissionierung sind endempfängerbezogen – sprich für eine bestimmte Filiale. Der Vorlieferant liefert an das Cross-Docking Lager, wo eine Konsolidierung mehrerer Lieferanten für einen bestimmte Filiale erfolgt. Die vom Lieferanten filialbezogene Ware wird dabei unverändert an den Endempfänger weiter gegeben.
Zweistufiges Cross-Docking
Beim zweistufigen Cross-Docking erfolgt eine lagerbezogene Bestellung. Der Auftrag bezieht sich auf das Cross-Docking Lager und auch die Kommissionierung erfolgt auf Cross-Docking-Ebene. Der Vorlieferant liefert an das Cross-Docking Lager, wo eine endempfängerbezogene Kommissionierung erfolgt. D.h. es erfolgt eine Umkommissionierung der vom Lieferanten gelieferten Einheiten in neue Einheiten für die entsprechenden Filialen.
Des Weiteren gibt es mehrstufige Cross-Docking-Prozesse, wo neben der eigentlichen Umkommissionierung zusätzliche Prozessschritte wie Warenetikettierung und ähnliches zur Anwendung kommen.
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- Lebensmitteleinzelhandel in den 1950iger Jahren: GNU Free Documentation License, Version 1.2, via Wikimedia Commons